10.5 Endstufe
© M. Zollner 2007
10-81
Die in Gitarrenverstärkern verwendeten Endröhren kann man in drei Hauptgruppen einteilen:
Die Pentoden, die englischen Beam-Tetroden, und die amerikanischen Beam-Tetroden. Bei
den
Pentoden
gibt es die EL84 für die kleineren Leistungen, und die EL34 für die großen.
Die
englischen Beam-Tetroden
sind: Die KT-66, und die etwas leistungsstärkere KT-88. Die
amerikanischen Gegenstücke
: Die kleinere 6V6, und die größere 6L6. Seit ihrer Markt-
einführung wurden diese Röhren mehrfach umkonstruiert, deshalb darf nicht einfach von z.B.
"der" 6L6 gesprochen werden. Zunächst kam der Entwicklungsschritt von den Stahlröhren zu
den Glasröhren, danach folgten Änderungen bei der Form des Glaskolbens, aber natürlich
auch bei den Elektroden, und damit bei den elektrischen Parametern. Die RCA 6L6-GB ist
mit einer maximalen Anoden-Verlustleistung von
19 W
angegeben, die Tungsol 6L6-GB mit
22 W
. Ist die Tungsol-Röhre nun höher belastbar? Schwer zu sagen, denn bei RCA liest man:
Design-Center Values
, bei Tungsol hingegen:
Design Maximum System (mehr zu diesen Ra-
tings in Kap. 10.5.9)
. Die Sylvania 6L6-WGA ist mit
19 W
spezifiziert (
Design Center
), aber
auch mit
21 W
(
Absolute Maximum
). In erster Näherung sind das Röhren, deren Entwicklung
von der 6L6 über die 6L6-G, 6L6-GA zur 6L6-GB vor allem die Form betraf. Erst bei der
6L6-GC
gibt es einen deutlicheren Leistungssprung auf
30 W
Anodenverlustleistung (
Design
Maximum Values
), der vermutlich auf Änderungen des Anodenblechs beruht. Keine dieser
Röhren wurde speziell für Gitarrenverstärker entwickelt, dieser Markt war damals bei weitem
zu klein. Stattdessen liest man:
For Radio Receivers
. Daneben gab es aber auch noch
besonders robuste
Militär-Röhren
, mit einem zusätzlichen W gekennzeichnet, z.B.
6L6-
WGB
. Ihr Elektroden-Aufbau war optimiert, um die strengen MIL-Tests bestehen zu können.
Die
KT-66
ist das englische Gegenstück zur 6L6. Im Osram-Datenblatt ist sie mit 25 W
maximaler Anodenverlustleistung spezifiziert, im Marconi-Datenblatt ebenfalls, im MOV-
Datenblatt mit 25 W (Design Max) bzw. 30 W (absolute Max).
MO-V
, das ist die Marconi-
Osram-Valve Company, die die KT-66 unter dem Label
GEC
weltweit anbot. GEC = General
Electric Corporation of England, nicht zu verwechseln mit General Electric USA. Sowohl die
6L6 als auch die KT-66 sind Beam-Tetroden, d.h. Röhren ohne Bremsgitter. Weil man die
Strahlformungsbleche dieser Röhren letztlich aber auch als fünfte Elektrode ansehen kann,
werden sie häufig (trotz fehlenden Bremsgitters) als Pentoden bezeichnet. Eine
echte
Pentode
ist hingegen die
EL34
, für die eine maximale Anodenverlustleistung von 25 W angegeben
wird. Bzw. 27.5 W ("bei maximaler Aussteuerung"). Aus der Tatsache, dass alle diese Röhren
ähnliche Belastbarkeiten (
P
a
) aufweisen, darf nun aber nicht geschlossen werden, dass sie
damit beliebig austauschbar wären – ihre Steuerkennlinien unterscheiden sich schon deutlich.
Bevor auf die Röhrenkennlinien ausführlicher eingegangen wird, noch ein kurzer Blick auf
weitere Leistungs-Röhren (Power-Tubes): Da entwickelt Tung-Sol um 1950 die
5881
, und
bewirbt sie als Weiterentwicklung der 6L6 (bzw. 6L6-GA). Auch noch 1962 wird ihre (5881)
maximale Anodenverlustleistung mit 23 W spezifiziert (Design Center System), doch inzwi-
schen hat bei der 6L6 schon die Weiterentwicklung zur 6L6-GC (30 W) stattgefunden, und
die 6L6-WGB (26 W) ist schon seit mindestens 1955 am Markt. Kein Wunder, dass nicht alle
die 5881 als "die bessere 6L6" betrachten. Und was bedeutet schon "besser"? Aus Sicht des
MIG-Piloten, der auch nach harter Landung volle Funktion fordert? Aus Sicht des Klassik-
Liebhabers, der geringste Verzerrungen erwartet? Aus Sicht des Jazz-Gitarristen, der gerade
entdeckt hat, dass man das Tone-Poti nicht immer auf 0 stellen muss. Oder aus Sicht des
Eddie-Epigonen, der sein Equipment (sein "Rig") exakt "VH-mäßig" übersteuert? Die Aus-
sage
"die 5881 ist die bessere 6L6"
ist genau so unsinnig wie
"6L6 = KT66 = 5881".
Es gibt
weder 'die' 6L6, noch 'die' KT66, noch 'die' 5881. Nicht nur, dass schon die alten Datenblätter
Unterschiede zeigen – so manche heutige KT66 ist innerlich eine 6L6-Variante.