9. Gitarrenelektrik
© M. Zollner 2005
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Dass in
Werbeanzeigen
gelegentlich unfassbarer Unsinn zu finden ist, verwundet nicht, ja –
gehört fast schon zum spezifischen Charme dieses Genres. Demgegenüber haben redaktio-
nelle
Testberichte
, die regelmäßig in Musikerzeitschriften erscheinen, einen hohen Stellen-
wert, wähnt man doch einen fachkundigen und unabhängigen Autor als Verursacher. Hierzu
ein Beispiel aus der Zeitschrift Gitarre & Bass: In Heft 4/2000 äußert sich Dirk Groll noch
relativ vorsichtig zum Thema Instrumentenkabel:
"Das Monster-Cable Performer 500 Rock
soll sich laut Hersteller durch einen aggressiven Klangcharakter auszeichnen, während das
Bass Instrument Cable (Performer 500 Bass) als besondere Stärke eine im Tieftonbereich und
in der Dynamik erweiterte Wiedergabe leisten soll"
. Soll! Das lässt Raum für Interpretatio-
nen, die wir aus der Tourismusbranche gelernt haben: "Das Hotel soll trotz seiner unmittel-
baren Flughafennähe relative ruhig sein". Wer trotzdem hinfliegt, ist selber Schuld. Ein Heft
später, (G&B 5/2000) derselbe Dirk Groll:
"Während die Kabel für Bass und Rock sich durch
besondere Betonung der Eckfrequenzen (Bass) bzw. aggressiver Präsenzen auszeichnen, gibt
sich die Sorte Performer 500 Jazz hörbar prägnanter in den tieferen Mitten-Frequenzen und
präsentiert den charakterprägenden Timbre-Bereich betont ausführlich, dabei angenehm
warm und rund. ... Verglichen mit den anderen Monster Cables wirkt das Studio Pro 1000
einen Hauch leiser, was auf die besonders ausgeglichene Übertragung ohne irgendwelche
Betonung oder Auffälligkeiten zurückgeführt werden kann".
Aus ist's mit der diplomatischen Zurückhaltung, hier steht die Meinung des Testers. Die der
natürlich haben und veröffentlichen darf. Aber sich dann auch fragen lassen muss, ob er
überhaupt eine Ahnung von der elektrischen Funktion eines Kabels hat. "Ohne irgendwelche
Betonung"? Heißt das, dieses Kabel hat keine Kapazität? Das geht wohl nicht, und wäre auch
nicht wünschenswert. Wie groß ist überhaupt die Kapazität dieser Wunderkabel? Die könnte
man doch leicht und preiswert messen und veröffentlichen – hiervon hätte der Leser mehr als
von Spekulationen über Eckfrequenzen. Nicht verschwiegen wird hingegen der Preis dieser
Wunder (damals noch in DM):
Performer 500 Monster Bass Gitarrenkabel 6,4m: ca. DM 130.-,
Performer 500 Monster Rock Gitarrenkabel 6,4m: ca. DM 130.-,
Performer 500 Monster Jazz Gitarrenkabel 6,4m: ca. DM 160.-,
Studio Pro 1000 6,4 m: ca. DM 350.- Kein Druckfehler:
Dreihundertfünfzig Mark!
Dass ein Jazz-Kabel mehr kosten muss als ein Rock-Kabel, versteht sich eigentlich von selbst.
Wenn nicht, wäre der Marketingleiter fristlos an die Luft zu setzen. Auch die Relation (ca. ein
Viertel teurer) geht in Ordnung. Nicht wahr, liebe Jazz-Gitarristen, ihr seht das doch genauso?
Aber die absolute Höhe dieser Preise?? Zur selben Zeit kostete das sehr hochwertige Klotz
LaGrange 59.- DM. Ebenfalls 6,4m, 67 pF/m, zweimal Neutrik-Stecker. Und das wird doch
nicht ohne Gewinn verkauft worden sein?
Es mag ja sein, dass die spezielle Kapazität des Monsterkabels beim Test einen speziellen
Sound erzeugte, der zur o.a. Beschreibung führte. Natürlich unterstellt niemand, der Tester
hätte lediglich die Werbetexte des Herstellers abgeschrieben, und dann seinen Namen darun-
tergesetzt. Diese kapazitive Last ließe sich aber billiger erzeugen: Für 350 DM konnte man
damals 1000 Kondensatoren und ebenso viele Widerstände kaufen – das hätte für sehr viele
Ersatzschaltungen gereicht. Und auch noch für ein Low-Cap-Cable mit 2 Neutriks.
Wie sagte hierzu der Tester einer anderen Zeitschrift:
"Den von der Industrie vielfach propa-
gierten Eigenklang von Kabeln halte ich für ausgemachten Blödsinn."
Uli Eisner, Studio-
betreiber und Autor beim Sound-Check-Magazin.