8.7 Hörversuche
© M. Zollner 2004 - 2009
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Ähnlich wie die Saitentonhöhe können auch Teiltonschwebungen ziemlich
robust
gegenüber
den Übertragungsparametern sein, und deshalb ist es schon vorstellbar, dass der Experte aus
dem Trockenentest Kriterien für den Elektrosound ableiten kann. Wovon hängt nun die Ro-
bustheit der Signalparameter ab? Frequenzabhängige Signalparameter, wie das Spektrum,
verlieren ihre Individualität, wenn der zugehörige frequenzabhängige Systemparameter (die
Übertragungsfunktion) einen ähnlichen Verlauf aufweist. Hierzu drei Beispiele:
1) Die Psychoakustik [12] beschreibt die Balance aus hohen und tiefen Spektralanteilen mit
dem Wahrnehmungsmerkmal "
Schärfe
": Höhenbetonte Schalle haben eine große Schärfe,
Zudrehen des Höhenreglers reduziert die Schärfe. Maßgeblich für die Berechnung der Schärfe
sind nicht so sehr spektrale Details, sondern der prinzipielle (geglättete) Verlauf der spektra-
len Hüllkurve. Etwas präziser: Die Schärfe wird aus dem gewichteten Lautheits/Tonheits-Dia-
gramm ermittelt, das den für Elektrogitarren wichtigen Frequenzbereich an nur ca. 20 Stütz-
stellen erfasst. Mit derselben spektralen Rasterung können auch die Übertagungsfrequenz-
gänge von Gitarrenverstärkern dargestellt werden (
Abb. 8.45
), und aus der Verwandtheit der
beiden Datensätze kann gefolgert werden, dass die Schärfe des "trockenen" Gitarrenklanges
im Allgemeinen nicht der Schärfe des verstärkten Klanges entspricht. Anders ausgedrückt:
Durch Verändern der Verstärker-Klangregler lässt sich die Schärfe verändern, sie ist so
gesehen kein robuster Signalparameter.
.03
.05
.07
0.1
0.15
0.2
0.3
0.4
0.6
0.8
1
1.5
2
3
4
5
kHz
10
-40
-35
-30
-25
-20
-15
-10
-5
0
dB
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-25
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dB
Abb. 8.45:
Klangregelung eines Fender-Verstärkers (Übertragungsmaß). Die Punkte am oberen Bildrand mar-
kieren das Frequenzgruppenraster (Abszissendiskretisierung zur Schärfeberechnung).
2) Teilton
schwebungen
können im Zeitbereich als Amplitudenschwankungen beschrieben
werden, im Frequenzbereich als Summe nahe benachbarter Teiltöne. Beispielsweise führen
zwei Teiltöne gleichen Pegels, aber leicht unterschiedlicher Frequenz (z.B. 997 Hz und 1003
Hz) zur Hörwahrnehmung eines 1000-Hz-Tones, dessen Lautstärke mit 6 Hz schwankt [3].
Um diese Schwebung ändern zu können, muss eine sehr frequenzselektive Operation vorge-
nommen werden, die für Verstärker-Klangregler untypisch ist. So gesehen sind Teiltonschwe-
bungen also robust gegenüber einfachen Klangregelnetzwerken.
3) Das Spektrum eines schnell
abklingenden
Sinustones (
Abb. 8.46
) ist im Wesentlichen auf
einen schmalen Frequenzbereich beschränkt. Änderungen im Abklingverhalten müssen des-
halb ebenfalls mit sehr frequenzselektiven Maßnahmen bewirkt werden. Anders ausgedrückt:
Ein linear arbeitendes, gitarrenverstärkertypisches Klangregelnetzwerk ändert das Abkling-
verhalten einzelner Teiltöne praktisch nicht, das Abklingverhalten ist diesbezüglich robust.