8.2 Frequenz und Tonhöhe
© M. Zollner 2004 - 2009
8-21
In
Abb. 8.13
wird die gemessene Tonhöhe mit dem Zeitverlauf des Grundtonpegels vergli-
chen. Signalgeber ist in beiden Fällen die angezupfte h-Saite der Ovation SMT. Bei 3,4 s er-
kennt man ein Minimum im Verlauf des Grundtonpegels. Mit einer Verarbeitungs-Totzeit von
ca. 0,5 s lassen sich die Tonhöhenschwankungen um 4 s erklären; die restlichen Schwan-
kungen können nicht sicher zugeordnet werden.
0
1
2
3
4
5
6
7
8
-30
-20
-10
0
10
20
30
s
cent
0
1
2
3
4
5
6
7
8
0
10
20
30
40
50
60
dB
s
Abb. 8.13:
Gemessene Tonhöhenabweichung, Grundtonpegel; Ovation SMT, h-Saite bei
t
= 0 angezupft.
Die Messungen zeigen, dass trotz vermeintlich digitaler Präzision mit erheblichen Schwan-
kungen des Anzeigewertes zu rechnen ist. Da das Stimmgerät bei Betrieb an einem Präzi-
sionsgenerator sehr genau und ohne nennenswerte Schwankungen anzeigt, kommt als
Ursache nur der Gitarrenton selbst in Frage. Je "lebendiger" er ist, desto stärker fluktuiert das
Mess-Ergebnis bzw. schwankt die Tonhöhe.
An diese Stelle passt ein kurzer Exkurs in die Grundlagen der
Thermodynamik
. Der lineare
Ausdehnungskoeffizient beschreibt, wie sich Abmessungen in Abhängigkeit von der Tempe-
ratur verändern. Falls die Abmessungen eingeprägt (erzwungen) sind, ändert sich bei Tempe-
raturänderung die mechanische Spannung. Für Stahlsaiten bedeutet dies: Die ungespannte
Saite verlängert sich bei +1°C Temperaturerhöhung um 16
10
-6
. Dies scheint unbedeutend,
verglichen mit den o.a. 2‰. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass für die Änderung
der Saitenfrequenz die relative
Spannungs
änderung zu berücksichtigen ist. Typischerweise
muss eine E
2
-Saite um ca. 1,5 mm gedehnt (gespannt) werden, um richtig gestimmt zu sein.
Und in Relation zu diesen 1,5 mm ist die durch Temperaturänderung hervorgerufene Längen-
änderung zu sehen. Die relative Frequenzänderung entspricht (Wurzel!) der halben relativen
Dehnungsänderung. Dies bedeutet für das Beispiel:
Bei 1 C Temperaturänderung ändert
sich die Saitenfrequenz um 5,3
.
Hierbei wurde angenommen, dass die Abmessungen von
Hals/Korpus unverändert blieben, was wegen der sehr unterschiedlichen thermischen Zeitkon-
stanten im Kurzzeitbereich Berechtigung hat. Ein Versuch bestätigte: Als eine gestimmte Gi-
tarre (Gibson ES335) aus dem Zimmer ins Freie gebracht wurde, erhöhte sich innerhalb we-
niger Sekunden die Frequenz der E
2
-Saite um 12‰; im Freien war es einige Grad kühler als
im Zimmer. Umgekehrt folgt daraus: Wer die Stimmung der Gitarre auf 1‰ konstant halten
möchte, muss fordern, dass kurzfristige Temperaturschwankungen unter 0,2°C bleiben
.
Die wichtigste Frage wurde bis zuletzt aufgespart:
Wie präzise ist eigentlich das Gehör
In
der Terminologie der Psychoakustik: Wie groß ist die Tonhöhenunterschiedsschwelle? Hierzu
kann man sehr unterschiedliche Antworten finden, je nach Versuchsmethodik. Grundsätzlich
ist zwischen dem
Sukzessivpaar
(2 Töne folgen zeitlich nacheinander) und dem
Zweiklang
(2 Töne werden gleichzeitig gespielt) zu unterscheiden.