7.10 Gitarrenstege
© M. Zollner 2010
7-137
7.10.3.3 Paul Bigsbys Vibrato
Paul Bigsby reparierte und erfand als eine Art Universalgenie Geräte aller Art, er baute um
1947 auch ein paar E-Gitarren (z.B. für Merle Travis). Überregionalen Erfolg erlangte er aber
mit seinem Vibrato-System, das auf vielen frühen Gitarren zum Einsatz kam. Die Saiten wer-
den an einer drehbar gelagerten Welle eingehängt, das Gegendrehmoment liefert ein feder-
belasteter Hebel. Angeblich war's eine Harley-Feder, für den Motorrad-Mechaniker Bigsby
ein naheliegendes Bauteil. Das in
Abb. 7.121
links dargestellte Vibrato stammt von einer
Gretsch Tennessean, wie sie in den 60ern gebaut wurde. Der Steg ist hierbei lediglich ein
massiver Metallzylinder, der über Schraube/Rändelmutter in der Höhe verstellt werden kann –
es gab aber auch andere Stegkonstruktionen (Alu-Pult, Rollensattel).
Abb. 7.121:
Links: Seitenansicht des Bigsby-Vibratos.
Rechts: verschiedene Varianten [Rockinger Guitars].
Die Gretsch Tennessean ist eine Hohlgitarre ohne Sustainblock, ihre dünne Decke kann keine
großen Kräfte aufnehmen. Vielleicht darf der Saitenknickwinkel wirklich nur 4° betragen,
wie bei der gemessenen Gitarre, vielleicht wäre auch mehr erlaubt, das lässt sich zerstörungs-
frei nicht ermitteln. Wenigstens liegen die Saiten auf einem massiven Stahlzylinder auf, und
nicht auf rappeligen Böckchen. Wer dünne Saiten verwenden möchte, und auf das ziemlich
unstabile Vibrato verzichten kann: Vibratowelle durch einen Zylinder ersetzen, 6 Löcher
durchbohren, Saiten durchstecken. Hierdurch erhöht sich der Knickwinkel, und die Auflage-
kräfte erreichen ungefähr die Werte der Originalbesaitung. Natürlich: Auf eigenes Risiko.
Für Gitarren, die größere Deckenkräfte aushalten, gab's (bzw. gibt's) das Bigsby-Vibrato auch
mit zusätzlicher Andruckrolle, wodurch die Auflagekräfte, aber auch die störenden Reibungs-
kräfte vergrößert werden (im Bild rechts dargestellt).
Der als Zylinder konzipierte Steg (erst 13, später 9.5 mm
∅
) wirkt als nichtlineares Lager,
weil sich die Saite verkürzt, wenn sie
zum
Korpus schwingt. Groß sind die Effekte jedoch
nicht, im Vergleich zu einer Sitar ist der Zylinderradius gering [Burridge et al. 1982: The sitar
string, SIAM J. Appl. Math. 42, 1231 – 1251].