7.8 Fachjournalismus
© M. Zollner 2010
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Wäre der Tonabnehmer bifilar gewickelt, könnte keine Spannung induziert werden. Was der
Autor meint, ist "wildes Wickeln", oder "Kreuzwickeln", im Gegensatz zum "Lagenwickeln".
Dass es im Wicklungsaufbau Unterschiede zwischen alten und neuen Spulen gibt, ist unbe-
stritten, aber keine war je bifilar.
Dennoch ist eine eindeutige klangliche Tendenz der biphi-
laren Wicklung erkennbar: Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass das Magnetfeld
homogenere Eigenschaften annimmt als das einer maschinengewickelten Spule. Gewisse
Pegelwerte der Resonanzen werden einfach nicht überschritten
. Pegelwerte der Resonanzen?
Meint er etwa Resonanzgüte? Warum schreibt er's dann nicht hin? Und was sind das über-
haupt für Resonanzen, deren es angeblich
unzählige
gibt. Sie mögen ja nicht abzählbar sein,
wenn man bis zur Unendlichkeit vordringt, aber beim Tonabnehmer ist doch spätestens bei
10 kHz Schluss. Und auch wenn man 20 kHz für nötig erachtet: Unzählige sind's nicht. Zwar
kann nicht jeder Tonabnehmer als System zweiter Ordnung (= 1 Resonanz) dargestellt
werden, aber mit z.B. vierter Ordnung kommt man schon sehr weit. Doch offenbar ist etwas
anderes gemeint:
Das Resultat der Maschinenwicklung ist ein Frequenzbild mit sehr
schmalbandigen und sehr lauten Pegelspitzen ... Zudem ist die Spule von Hand lockerer
gewickelt, was mehr Resonanzfrequenzen in den Höhen zur Folge hat
. Der Verdacht drängt
sich auf, dass da beim Betrachten unverstandener Spektren die von den Saiten-Teiltönen
erzeugten Maxima als Tonabnehmer-Resonanzen interpretiert werden. Oder meint er: Die von
Hand gewickelte Spule hat eine kleinere Wicklungskapazität, woraus eine höherfrequente
Hauptresonanz resultiert? Doch der Begriff Wicklungskapazität taucht nirgendwo auf, dafür
findet man:
Aus einer höheren Induktivität resultiert eine nach oben verschobene Hauptreso-
nanzfrequenz
. Wiederum falsch, mit steigender Induktivität sinkt
die Resonanzfrequenz.
Wieso muss man eigentlich unbedingt in einem sog. "Fachmagazin" einen "Fachartikel"
schreiben, wenn man von diesem Fach absolut keine Ahnung hat?
Dann kommt der
Draht
dran:
Mit einem Durchmesser von 0,0030" war der Draht vor 46
Jahren (also 1961) 0,0004" dicker als heute. Daraus ergibt sich, zusammen mit der Tatsache,
dass heute rund 400 Umdrehungen mehr gewickelt werden, eine geringere Induktivität, also
eine kleinere Ausgangsspannung des alten Tonabnehmers
. Ob der Durchmesser mit oder ohne
Isolierung gemeint ist, bleibt unklar. Duchossoir meint, von den 50ern bis zu den 90ern wurde
immer
42-AWG verwendet, also 63,5
m Cu – möge der Bessere gewinnen. Und die Win-
dungszahlen ändern sich über die Jahre so stark (lt. Duchossoir von 7600 – 9600), dass man
"400" großzügig interpretieren sollte. Letztlich noch die
Isolierung
:
Nicht nur die Dicke der
Beschichtung, sondern auch das Material der Beschichtung wirkt sich auf den Klang aus, da
das das Kupfer umgebende Material in der Spule als Dielektrikum wirkend direkten Einfluss
auf das Magnetfeld hat
. Nein, wieder knapp dran vorbei: Dielektrika wirken polarisierend im
elektrischen
Feld, im magnetischen Feld ist die Permeabilität
die direkt beeinflussende Größe.
Der aus einer Harzverbindung bestehende Formvar-Mantel sorgt für einen offeneren und le-
bendigeren Klang als die chemische Polysol-Schicht
. Natürlich: Chemie klingt nicht. Doch
was sagt der Chemiker zu Formvar? Formvar-Lacke enthalten Polyvinyl-Acetal, dem Phenol-
harz zugesetzt wird. Und Phenolharz zählt zu den – chemischen Kunststoffen.
Es bleibt einem Gitarren-Tester unbenommen, als Fazit seiner Arbeit zu schreiben:
Mir gefällt
die 1962er Strat am besten
. Sobald diese subjektive Bewertung aber mit falsch verstandenen
physikalischen Prinzipien untermauert wird, beginnt die Leserverdummung. Fehler passieren,
natürlich. Die Admitanz, die Kahtodyn, das E-Modul – selbst biphilar wäre keine Zeile wert,
wenn's denn so wäre. Angesehene Fachzeitschriften haben ein Lektorat, das die meisten der
kleineren Fehler ausbügelt. Und sie haben einen Reviewer, der auf fachspezifische Unzuläng-
lichkeiten hinweist.