5.4 Tonabnehmer-Magnetfeld
© M. Zollner 2002
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5.4.3 Das magnetische Wechselfeld
Der Tonabnehmermagnet erzeugt im Luftraum einen statischen Magnetfluss (Gleichfluss),
der vom Nordpol zum Südpol fließt. Schwingt die Saite vor der Polplatte des Tonabnehmers,
so ändert sich dieser Gleichfluss, was als Überlagerung eines Gleich- und eines Wechsel-
feldes aufgefasst werden kann. Zumindest in Luft als linearem System ist diese Überlagerung
zulässig. Der Magnet ist zwar ein nichtlineares System, jedoch sind die relativen
Flussänderungen so klein (1%), dass in guter Näherung linearisiert werden kann. Diese
Überlagerung darf aber nicht so missverstanden werden, dass sich die räumlichen Bahnen von
Gleich- und Wechselfluss entsprechen! Quelle des
Gleichflusses
ist der Magnet; seine beiden
Pole liegen 1 – 2 cm weit auseinander, was eine relativ große Flussbahn ergibt. Quelle des
Wechselflusses
ist im Wesentlichen der durch die Schwingung veränderliche Luftwiderstand
vor der Polplatte; da hier die Abmessungen deutlich geringer sind, ist auch die Ausdehnung
des Wechselflusses auf kleinere Bereiche begrenzt. (Streng genommen dehnen sich natürlich
beide Flüsse unendlich weit aus – gemeint sind hier die relevanten Feldbereiche). Sowohl
Magnet als auch Saite bestehen aus ferromagnetischem Material; deshalb ist bei der statischen
Berechnung die Hysterese und bei der dynamischen Berechnung die reversible Permeabilität
zu berücksichtigen.
Einen ersten Einblick in die räumliche Verteilung des Wechselflusses vermittelt
Abb. 5.4.13:
Als Abszisse ist hier der Wechselfluss durch einen Zylindermagnet (5
x
18) dargestellt, vor
dessen Polplatte eine Stahlsaite sinusförmig schwingt. Die Distanz zwischen Saite und Pol-
platte beträgt 2 mm, die Auslenkungsamplitude 0,15 mm, die Anregungsfrequenz ist 85 Hz.
Gemessen wird der Wechselfluss mit einer kleinen Spule (25 Wdg. 80
m CuL), deren Win-
dungen dicht um den Magnet gewickelt sind. Als Ordinate ist in Abb. 5.4.13 der Abstand die-
ser Spule von der saitenseitigen Polplatte aufgetragen. Wie man sieht, nimmt das Wechselfeld
längs der Magnetachse sehr schnell ab: Weniger als 2% des in die saitenseitige Polplatte ein-
strömenden Wechselfeldes kommen am entgegengesetzten Ende an; der Rest hat 'unterwegs'
den Magnet durch den Zylindermantel verlassen. (
Einströmen
gilt während einer Halbwelle –
während der anderen kehren sich alle Flussrichtungen im Wechselfeld um).
Es ist offensichtlich, dass für eine derartige Feldgeometrie das
Induktionsgesetz
mit Vorsicht
angewandt werden muss. Nicht jede Windung einer um die ganze Magnetlänge gewickelten
Tonabnehmerspule wird vom selben Wechselfluss durchströmt! Die der Saite abgewandten
Windungen tragen zur induzierten Spannung nur mehr wenig bei, wirkungslos sind sie aber
trotzdem nicht: Jede zusätzliche Windung erhöht die Spuleninduktivität, und senkt (bei sonst
gleichen Parametern) die Tonabnehmer-Resonanzfrequenz.
Das linke Bild von Abb. 5.4.13 zeigt schematisch die Flussbahnen für eine Stratocaster-Spule.
Der Gleich
fluss durchströmt idealisiert
die ganze Spule, trägt zur induzierten Spannung aber
nichts bei. Der größte Teil des Wechsel
flusses verlässt schon auf den ersten Millimetern
wieder den Magnet und erreicht gar nicht erst die Wicklung – eigentlich erstaunlich ange-
sichts der Tatsache, dass dieser Tonabnehmer als 'heiliger Gral' der Elektrogitarren gehandelt
wird. Eine hohe
Effizienz
ist bei der mechanoelektrischen Übertragung aber nicht das allei-
nige Entwicklungsziel: Der Jazzmaster-Tonabnehmer hatte mit seiner großen, flachen Spule
einen höheren Wirkungsgrad, wurde wegen seines andersartigen Resonanzverhaltens aber
weitgehend abgelehnt.
Der statische
Streufluss ist nicht unerheblich, siehe Kap. 5.10.7, trägt zur Spannung aber auch nichts bei.