10. Gitarrenverstärker
© M. Zollner 2007
10-262
Was bleibt noch, was ist dran an Meldungen wie: "
Folienkondensatoren klingen etwas anders
als Polypropylen
?" Das eröffnet ähnliche Dimensionen wie die Aussage: "Nachts ist es kälter
als draußen." Kondensatoren lassen sich, sehr grundsätzlich, in Folien-, Elektrolyt-, Sinter-
und Luftkondensatoren unterteilen, als Dielektrikum kommt beim Folienkondensator u.a.
Polystyrol, Polyester oder Polycarbonat zum Einsatz, oder eben
Polypropylen
. Der typische
Polypropylen-Kondensator ist
ein Folienkondensator, der in der Bauform KP aus zwei aufein-
anderliegenden Folien (Metall und Polypropylen) besteht, in der Bauform MKP aus einer me-
tallisierten Polypropylen-Folie. "Wenn Sie zwei Fingernägel auf 1mm Abstand bringen,
haben Sie eine Kapazität von 1 pF." Der unvergessene H. H. Meinke. Damit der Zwischen-
raum besser isoliert und formstabil bleibt, kommt eine dünne Folie hinein, z.B. eine Poly-
propylenfolie. Dadurch erhöht sich die Kapazität um die relative Permittivität (relative
Dielektrizitäts-Konstante), die bei Polypropylen ungefähr
ε
r
= 2,2 beträgt, bei Polyester
hingegen 3,3.
Beide Kunststoffe gehören zu den
Dielektrika
, sind also Isolierstoffe. Dass sie
isolieren bedeutet aber nicht, dass in ihrem Innern keine Ladungsträger vorliegen würden –
diese sind nur nicht so leicht von ihrem Ort zu verschieben. Strom ist ja nichts anderes als
bewegte Ladung:
I
= d
Q
/
d
t
; keine Ladungsbewegung, kein Strom. Im Kupferdraht lassen
sich die Elektronen sehr leicht (aber überraschend langsam, dafür in ungeheuerer Zahl)
bewegen, im Dielektrikum sind fast keine
frei beweglichen
Ladungsträger vorhanden.
Trotzdem gibt es Ladungen: Positive Atomkerne, negative Elektronen, positive Kationen, und
negative Anionen. Legt man eine elektrische Spannung an die Kondensatorelektroden, wirken
Kräfte auf die Ladungsträger und versuchen sie zu verschieben und zu verbiegen; dies wird
Polarisation
genannt. Da unterschiedliche Ladungsträgerarten vorhanden sind, gibt es auch
unterschiedliche Polarisationsmechanismen. Sie sind die Ursache der
Kondensator-Verluste
.
Da alle Stoffe aus Atomkernen und -hüllen "aufgebaut sind" (Bohrsches Atommodell
), findet
in jedem Stoff beim Anlegen einer elektrischen Spannung die
Elektronenpolarisation
statt:
Die elektrische Feldstärke verschiebt die Elektronenhülle gegen den Kern. Sehr schnell, und
auch noch im THz-Bereich wirksam. In polaren Stoffen (wie z.B. Polyester) drehen sich unter
der Einwirkung des externen elektrischen Feldes die permanenten Molekulardipole, dies ist
die
Orientierungspolarisation
. In Stoffen, die Ionen enthalten, kommt es unter elektrischer
Feldeinwirkung zu einer gegenläufigen Verschiebung von Anionen und Kationen, das ist die
Ionenpolarisation
. Schließlich kann es in sehr inhomogenen Werkstoffen an isolierenden
Korngrenzen zur Ansammlung freier Ladungsträger kommen:
Raumladungs-Polarisation
.
Alle diese Polarisationseffekte beziehen ihre Antriebsenergie aus dem elektrischen Feld, und
da keiner dieser Prozesse reversibel ist, wird ein Teil der elektrischen Energie unumkehrbar in
Wärme umgewandelt. Diese Wärmeenergie steht der elektrischen Schaltung nicht mehr zur
Verfügung – deshalb dielektrische "
Verluste
".
Abb. 10.9.9
zeigt typische Werte.
0.1
0.2
0.4
0.6
0.8
1
2
4
6
8
10
20
40
60
80
100
0.05
0.07
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.7
1
2
3
4
5
7
10
20
Verlustfaktor
d
kHz
10
-3
Polyester:
KT, MKT
Polycarbonat:
KC, MKC
Polypropylen:
KP, MKP
Polystyrol:
KS
0.1
0.2
0.4
0.6
0.8
1
2
4
6
8
10
20
40
60
80
100
0.05
0.07
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.7
1
2
3
4
5
7
10
20
Verlustfaktor
d
kHz
10
-3
SOZO
TAD
Orange Drop
TAD
Mustard
Abb. 10.9.9:
Verlustfaktoren typischer Koppelkondensatoren. Datenbuchangaben (links), Messungen (rechts).